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Konflikte aus systemischer Sicht

Systemische Ansätze haben sich mittlerweile in der Erwachsenenbildung durchgesetzt. Grund genug, Konflikte aus systemtheoretischer Sicht zu betrachten. Als einer der bekanntesten deutschen Systemtheoretiker übt Niklas Luhmann grundlegende Kritik an den ansonsten üblicherweise vorgenommen Typologisierungen von Konflikten.

Luhmann meint, dass der Konfliktbegriff durch seine Typologisierung, und seine damit einher gehende Bindung an strukturelle Bedingungen, an Schärfe verliert (Lehnert, 2006, S. 11). Vielmehr fordert Luhmann, dass der Konfliktbegriff von seinem Feld der Erscheinung und seinen Bedingungen unabhängig definiert werden muss (Luhmann, 1984, S. 531). Um Konflikte aus systemtheoretischer Sicht betrachten zu können, werde ich auf den nächsten Seiten zunächst das notwendige Grundlagenwissen der Systemtheorie erläutern. Dies gilt auch als Grundlage für Kapitel 4.1.1.

Systemtheoretische Grundlagen

Systeme

In der Systemtheorie werden 3 unterschiedliche Systeme unterschieden.* Biologische, psychische und soziale Systeme. Bei biologischen Systemen handelt es sich um lebende Körper. Biologische Systeme beziehen sich auf Organismen, Zellen, Nervensysteme und Immunsysteme. Psychische Systeme operieren auf der Basis von Bewusstheit, also auf Gedanken, Intentionen oder Gefühlen eines Individuums. Gedanken folgen wiederum Gedanken. Soziale Systeme bestehen aus rekursiv verknüpften Kommunikationen von psychischen Systemen. Nur das kontinuierliche Prozessieren von Kommunikation erhält ein Soziales System. Bei Systemen handelt es sich also nicht um Organe, Einzelpersonen oder eine Gruppe von Menschen. Als System wird nur die Kommunikation unter ihnen verstanden. Systeme bestehen also aus Operationen, dem Akt der Kommunikation. Diese Operationen dienen dazu, ein System zu produzieren und zu erhalten. Um die Existenz zu sichern, muss ein System permanent kommunizieren, also Anschlussfähigkeit herstellen. Diese Anschlussfähigkeit benötigt Struktur und fordert eine Kontrolle der eigenen Operation (Kommunikation) bezüglich ihrer Resultate (Lehnert, 2006, S. 14f). Ein Wegfall dieser Operation führt zum Auflösen eines Systems. Im Falle eines lebenden Systems bedeutet das den Tod eines Körpers, auf welches sich das System bezieht, oder einfach das Auflösen einer Gruppe, die sich zu einem bestimmten Zweck gebildet hat.

Psychische und soziale Systeme nutzen unterschiedliche Wege, Bewusstheit und Kommunikation, um sich zu reproduzieren. Das bedeutet, dass ein psychisches System, obwohl es Teil eines sozialen Systems ist, immer auch unabhängig des sozialen Systems betrachtet werden muss. Da alle psychischen Systeme getrennt voneinander operieren, bleiben sie für andere psychische Systeme zum Teil immer eine Black Box (Hohm, 2000, S. 91).

System/Umwelt und Beobachtung

Ein wichtiger Aspekt der Systemtheorie ist das Verhältnis eines Systems zu seiner Umwelt. Laut Systemtheorie wird ein Element erst durch den Kontext definiert. Erst der Kontext gibt Sinn. Atomare Partikel zum Beispiel existieren nur durch spezifische Relation zu anderen Partikeln. Genauso verhält es sich mit jeglicher Form von Systemen (Huschke-Rhein, 1998, S. 202). Daraus ergibt sich auch, dass nichts bezeichnet werden kann, ohne dass das Ausgeschlossene mitschwingt. So kann bei systemtheoretischem Hintergrund nicht von einem Objekt gesprochen werden, sondern immer von Unterscheidung. Diese Unterscheidung ist kein gegebener Sachverhalt, sondern wird immer von einem Beobachter durchgeführt. Auch ein System ist kein einfacher Sachverhalt, sondern entsteht erst, weil es in Differenz zur Umwelt unterschieden worden ist. Dies gilt auf gleiche Weise andersherum, es entsteht nicht zunächst eine Umwelt, auf deren Beschaffenheit sich Systeme konstituieren. Auch Umwelt entsteht nur in Bezug zu einem System. Psychische, lebende und soziale Systeme sind füreinander Umwelt (Lehnert, 2006, S. 21f). In einem kommunizierenden System „Seminarteilnehmer“ bedeutet dies zum Beispiel, dass die daran beteiligten Personen wiederum Umwelt sind, da sie auf der Basis des eigenen psychischen Systems handeln. Ebenso sind alle anderen für das Seminarsystem relevanten Systeme Umwelt, wie zum Beispiel die Bildungseinrichtung. Die Bezeichnung von System und Umwelt ist beobachterabhängig. Jedes System kann Umwelt eines anderen Systems sein, je nach Systemreferenz. Das erschwert die Bezeichnung von Subjekt und Objekt. Umwelt ist immer komplexer als ein System, somit müssen soziale Systeme die Aufmerksamkeit auf systemspezifisch Sinnvolles begrenzen. So ist für ein Wirtschaftsunternehmen nur die Umwelt interessant, welches dem Unternehmenswachstum dient, ein Liebespaar fokussiert sich auf etwas im Hinblick auf Beziehung Erhaltendes oder Bereicherndes (Lehnert, 2006, S. 23f).

Wie eben schon angedeutet, wird dem Beobachter eine erhebliche Bedeutung beigemessen. Grundlegende Prämisse hier ist, dass ein Beobachter nicht die Welt beobachtet, sondern das Ergebnis seiner Beobachtung (Groth, 1999, S. 45). Der Beobachter selbst stellt wiederum ein eigenes System dar und ist Teil eines Systems. Wenn ein Beobachter beobachtet, also eine Unterscheidung vornimmt, basiert diese Unterscheidung auf der Basis der eigenen Struktur. Ein Beobachter kann die eigene Unterscheidung nicht beobachten, es besteht immer ein blinder Fleck. Er kann nur sehen, was er mit der vorgenommenen Unterscheidung sehen kann. Die Beobachtung kann jedoch von einem weiteren Beobachter beobachtet werden, wieder mit der selben Einschränkung der Nichtbeobachbarkeit der eigenen Beobachtung. Diese Beobachtungsbeobachtung nennt Luhmann Beobachtung zweiter Ordnung. Daraus ergibt sich, dass es keine vollkommen objektive Sicht der Dinge geben kann, da immer ein blinder Fleck bestehen bleibt (Schuldt, 2003, S 53ff). Es muss zwar von einer Realität ausgegangen werden, sonst gäbe es nicht die Möglichkeit zur Unterscheidung. Doch wie sich diese Realität zeigt, hängt immer von dem System verwendeten Unterscheidungsschema ab (Lehnert, 2006, S. 31f).

Operative Geschlossenheit, Autopoiesis und Offenheit

Eine relevante Umwelt eines psychischen Systems, also von Bewusstheit, ist zum Beispiel das biologische System Gehirn. Dieses ist für das Funktionieren des psychischen Systems unentbehrlich, funktioniert aber trotzdem autonom. Es ist unmöglich, von Gehirnprozessen auf Gedanken zu schließen oder in ein fremdes Bewusstsein hineinzuschauen (Schuldt, 2003, S. 29f). Psychische Systeme denken, was sie denken, Kommunikation, also soziale Systeme, kommunizieren, und das Leben lebt sein Leben, ohne dass sie in die jeweils anderen Systeme direkt involviert sind vollziehen sie ihre eigenen Operationen. Jedoch bedeutet dies nicht, dass Systeme nichts miteinander zu tun haben, im Gegenteil. Systeme reagieren auf Störungen und Irritationen ihrer Umwelt gemäß ihrer eigenen Strukturen. So kann eine Störung eines biologischen Systems ein psychisches System irritieren, welches wiederum ein soziales System irritiert (Lehnert, 2006, s. 17f). Beispiel: Eine Störung des Verdauungstrakts (biologisches System) erregt die Aufmerksamkeit (Bewusstheit) des Kindes (psychisches System), welches sich wiederum durch Schreien (Kommunikation) die Aufmerksamkeit der Eltern (soziales System Familie) verschafft. Dieses Beispiel ist natürlich stark vereinfacht. Das Zusammenspiel der einzelnen Systeme ist weitaus komplexer. So ist das Schreien, also die Kommunikation, genau betrachtet nur ein physiologischer Vorgang des biologischen Systems, der durch das psychische System angeregt wurde.

Systeme sind also offen für Einwirkungen von außen. Wichtig ist hierbei zu beachten, dass dieser Umweltkontakt eigenmächtig gesteuert wird. Systeme sind autonom, aber nicht autark. Die Eigenmächtigkeit, oder die Entscheidung mit der Umwelt in Kontakt zu treten, basiert auf Operationen, die innerhalb geschehen. Diese Selbstorganisation und Unabhängigkeit nach außen wird Autopoiesis genannt. Ein System arbeitet hier immer selbstreferenziell, bezieht sich also immer auf sich selbst (Schuldt, 2003, S. 24f).

Luhmanns Konfliktdefinition: Erwartung und Kommunikation

Das prozessierende Element eines sozialen Systems, welches das System am Leben erhält, ist Kommunikation. Luhmann beschränkt und präzisiert den Konfliktbegriff auf dieses Element. Völlig außer Acht gelassen sind hier der Inhalt und die Begleitumstände.

„Von Konflikten wollen wir immer dann sprechen, wenn einer Kommunikation widersprochen wird. Man könnte auch formulieren: wenn ein Widerspruch kommuniziert wird. Ein Konflikt ist die operative Verselbstständigung von Kommunikation. Ein Konflikt liegt also nur dann vor, wenn Erwartungen kommuniziert werden und das Nichtakzeptieren der Kommunikation zurückkommuniziert wird“ (Luhmann, 1984, S. 530).

Der Schlüsselbegriff in dieser Definition ist die nicht eingetroffene Erwartung. Es herrscht also eine Spannung zwischen dem Ist-Zustand und dem gewünschten Zustand. Erst diese Disharmonie führt zum Konflikt. Dies bedeutet auch, dass es nicht zu einem Konflikt kommen kann, wenn keine Erwartungen vorhanden sind. Somit hängt ein Konflikt immer mit den eigenen Erwartungen und somit auch Werten, moralischen Standards und Ansprüchen zusammen.

Jeder Konflikt bildet ein eigenes soziales Subsystem, demnach agiert jedes Konfliktsystem nach denselben Regeln wie alle anderen Systeme auch. Hat sich ein Konfliktsystem erst mal gebildet, dreht sich die Erwartungshaltung um. Ein gegenseitiges Widersprechen wird also erwartet und so führt das Konfliktsystem ihre Autopoiesis fort. Umwelt wird von etablierten Konflikten hinsichtlich eines möglichen Nutzens, den Konflikt fortzuführen, beobachtet (Lehnert, 2006, S. 56f). Aussagen zum Konfliktverlauf oder einer möglichen Deeskalation lassen sich bei Luhmann leider nicht finden. Doch einige Schlüsse lassen sich ziehen. Demnach muss mindestens eine Konfliktpartei die eigene Beobachtung beobachten, um die ständige Fortführung des Konfliktsystems zu durchbrechen. Wobei natürlich zu beachten ist, dass ein blinder Fleck immer bestehen bleibt. Hieraus ergibt sich, dass eine externe Vermittlung, also ein Beobachter zweiter Ordnung, hilfreich ist, da der blinde Fleck etwas verkleinert werden kann.

Fazit und Handlungskonsequenzen für die Seminararbeit

Auf den ersten Blick wirkt die Systemtheorie sehr statisch. Bei näherer Betrachtung erlaubt sie jedoch eine ungeheure Dynamik und Komplexität. Für die Betrachtung und Bearbeitung von Konflikten lassen sich von ihr einige Rückschlüsse ziehen. Die Bedeutung von Erwartungen ist hier ein zentrales Thema. Um Transparenz in einen Konflikt zu bringen oder eine Atmosphäre zu schaffen, die eine konstruktive Konfliktbearbeitung zulässt, erscheint es sinnvoll, dass eine Führungskraft die eigenen Erwartungen an die Mitarbeiter deutlich macht. Ebenso wäre es für die Führungskraft hilfreich, die Erwartungen der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an die eigene Person zu kennen. In dem Kontext ist natürlich zu beachten, dass allein die Kommunikation der Erwartungen bereits Konflikte auslösen kann. Diese sollten als Einladung verstanden werden, um die gegenseitigen Erwartungshaltungen zu klären. Wichtig ist, die eigenen Erwartungen zu kennen, sie auf ihre Angemessenheit zu überprüfen und artikulieren zu können. Die Erwartungen können basieren auf Vorgaben von einer höheren Hierarchieebene, sowie auf den eigenen moralischen Standards und Werten. Um den Kreislauf eines Konfliktsystems zu durchbrechen, muss ein Teilnehmer in Beobachtung zweiter Ordnung gehen. Hier stellt sich die Frage, wie man sich daran erinnert, in die Beobachterposition zu gehen. Aber auch hier gilt zu beachten, es besteht immer ein blinder Fleck, der zwar verkleinert werden kann, jedoch niemals verschwindet. Der blinde Fleck verdeutlicht, dass insbesondere in eskalierten Fällen Hilfe von außen, z.B durch Mediation, sehr hilfreich sein kann. Die blinden Flecken, sowie die unterschiedliche Wahrnehmung der Realität, müssen im Seminar in den Methoden beachtet werden. Eine Vermittlung der Theorie halte ich aufgrund der Komplexität für nicht angemessen. Die Inhalte sind jedoch sehr nützlich, um sie durch aktive Methoden erfahrbar zu machen.

Quellen:

Groth, T. (1999). Wie systemtheoretisch ist „Systemische Organisationsberatung“? (2. Auflage). Münster: Lit.

Hohm, H.-J. (2000). Soziale Systeme, Kommunikation, Mensch. Eine Einführung in die soziologische Systemtheorie. Weinheim & München: Juventa.

Huschke-Rhein, R. (1998). Systemische Erziehungswissenschaft. Pädagogik als Beratungswissenschaft. Weinheim: Deutscher Studien Verlag.

Lehnert, M. (2006). Gibt es Konflikte? Eine systemtheoretische Beobachtung. Heidelberg: Carl-Auer-Systeme.

Luhmann, N. (1984). Soziale System: Grundriß einer allgmeinen Theorie. Frankfurt am Main: Suhrkamp Verlag.

Schuldt, C. (2003). Systemtheorie. Hamburg: Sabine Groenewold Verlage.

*Triviale Systeme wie Maschinen ausgenommen.

Gastbeitrag: Erste Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation

Gastbeitrag von Steffi Rohde: Man kann sich ja nicht immer gut verstehen! – Erste Erfahrungen mit der Gewaltfreien Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg (GfK)

Mit meinen bisherigen Fähigkeiten Sprache anzuwenden, stoße ich regelmäßig an meine Grenzen.

So gibt es Alltagskonflikte mit meiner Tochter, meiner Mutter, mit Freund*innen oder Kolleg*innen. Mir begegnen dabei häufig „Nein!“ – „Doch!“- Dialoge, Rechtfertigungen à la „Ja- aber“ und am Ende hat derjenige gewonnen, der entweder am Lautesten den Konflikt beendet hat oder die meisten Argumente entgegnen konnte. Zeitraubend und anstrengend empfinde ich diese Art des verbalen Austauschs, der meiner Erfahrung nach selten das Ziel hat, zu einem zufriedenstellenden Ergebnis zu kommen.

Ein Beispiel? Na gerne:

  • Ich: „Komm, zieh dich an, wir müssen los!“
  • Kind: „Nein.“
  • Ich: „Ich muss aber zur Arbeit.“
  • Kind: „Ich will aber nicht!“
  • Ich: „Es geht nicht um wollen, wir müssen halt los!“
  • Kind ignoriert mich
  • Ich: „Bitte komm jetzt! Ich komme sonst zu spät!“
  • Kind: „Bekommst du dann Ärger?“
  • Ich: „Ja.“
  • Kind: (lachend) „Oh wie schade. Mama bekommt Ärger.“

Was nun folgte? Verfolgungsjagd, Geschrei, der Versuch das Kind zu erwischen und anzuziehen, Tränen, Trösten, Anziehen und zu spät aus dem Haus gehen.

Erstaunlich, dass solch eine Kommunikation in meinem Umfeld ganz normal zu sein scheint: „Das kenne ich auch, so ist das nun mal.“, „Man kann sich ja nicht nur gut verstehen.“, oder mein persönliches Highlight in Bezug auf meine Tochter: „Das sind alles nur Phasen. Da musst du halt durch!“

Wirklich zufrieden war ich mit diesen, wohl der Beschwichtigung dienenden Aussagen bisher nicht.

Ist das unsere „Gesprächskultur“?

Doch warum ist das so? Wenn ich darüber nachdenke, scheint der Hauptaugenmerk einer jeden Partei im Dialog auf folgenden Gedanken zu liegen:

  • „Hab ich nicht Recht?“
  • „Kann man sich nicht denken, was ich meine?“
  • „Sieht man denn nicht, dass ich was anderes will?“
  • „Warum soll ich denn jetzt schon wieder zurückstecken?“

Letztendlich wird aus einem Gespräch ein Konflikt, wodurch sich die Parteien beispielsweise gekränkt oder zurückgewiesen fühlen, eventuell auch stur reagieren. Eine mögliche Folge wäre, dass man sich zurückzieht und nicht mehr reden möchte.

Ich persönlich fühle ein großes Ruhebedürfnis, um mich von den Konflikten zu erholen, mögen sie noch so klein gewesen sein.

Dann durfte ich die Gewaltfreie Kommunikation nach Marshall B. Rosenberg kennenlernen und ich muss sagen: Sie holte mich durch alltägliche Beispiele ab und berührte mich damit. Sie wirkte auf mich anders als die Sprache, die ich im Alltag erlebte. Reflektiert und auf Augenhöhe, sogar „erdend“, indem sie sich bedürfnisorientiert mit dem beschäftigt, worauf es wirklich ankommt.

Ich erfuhr die Sprache neu. „Es geht mir gut/schlecht“ reicht nun nicht mehr aus.

Theoretisch hangelt man sich an folgenden vier Schritten entlang:

  1. Beobachtungen: (wertfrei) formulieren, was wir gehört haben
  2. Gefühle: ausdrücken, wie wir uns damit fühlen
  3. Bedürfnisse: was brauchen wir, um uns (in Bezug auf die Beobachtung) besser zu fühlen?
  4. Bitten: lösungsorientiert eigene Bedürfnisse an das Gegenüber äußern und dessen Bedürfnisse dabei berücksichtigen

Praktisch springt man zwischen den Schritten hin und her. Ich durfte dies anhand meines eigenen morgendlichen Konfliktes erfahren:

  1. Beobachtung: Es ist 5 nach 8, wir stehen im Flur, Kind hat den Schlafanzug an.
  2. Gefühle: frustriert, angespannt, ratlos
  3. Bedürfnisse: Rücksichtnahme, etwas beitragen, Unterstützung
  4. Bitte: Zieh dich jetzt bitte an.

Vollständig formuliert könnte das dann wie folgt klingen:

„Ich sehe, dass du lachst, wenn du sagst, dass ich Ärger bekommen werde, wenn ich zu spät zur Arbeit komme. Das frustriert mich und es macht mich ratlos, wie ich mein Bedürfnis nach Pünktlichkeit zum Ausdruck bringen kann. Ich wünsche mir, dass Du Rücksicht nimmst und mich unterstützt, indem Du Dich jetzt anziehst.“

Die Gfk lenkte meinen Fokus weg von der Frage, wer denn was falsch gemacht habe, in eine neue Richtung: „Was macht dieser Konflikt mit mir? Wie fühle ich mich damit? Wo liegen meine eigenen Bedürfnisse?“ und ganz wichtig: „Wie kann das (Zusammen)Leben schöner gestaltet werden?“

Für mich war es nicht alltäglich, sich mit den eigenen Bedürfnissen auseinanderzusetzen. Umso erstaunter war ich dann, als ich diese endlich benennen durfte und sogar benennen konnte. Man darf sein, wer man ist und kann sich sicher sein, nicht bewertet oder gar verurteilt zu werden.

Es fühlte sich geerdet an, als würde man an seine Basis zurückgeholt, von der aus nun das eigentliche Ziel definiert werden kann.

Dadurch, dass die GfK an vielen Beispielen erläutert wird, habe ich meine eigene Kommunikationsweise parallel reflektieren können. Dabei habe ich in Gedanken rückwirkend betrachtet, wie ich mich selbst in Gesprächen verhalten habe und überlegt, wie sich mein Gegenüber gefühlt haben mag. Hierdurch ist mir bewusst geworden, dass wir alle Bedürfnisse haben und diese am ehesten erfüllt werden, wenn wir uns auf Augenhöhe begegnen. Damit gemeint ist, dass ich meine eigenen Bedürfnisse nicht höher werte als die meines Gegenübers.

Diese erste Phase des Kennenlernens der GfK hat mich tatsächlich traurig gemacht. Traurig darüber, dass ich eine lange Zeit meines Lebens mit unnötigen Konflikten zugebracht habe, mich selbst und andere abgewertet oder auch verurteilt habe. Es stellte sich mir die Frage, warum wir nicht alle auf diese unkomplizierte Art kommunizieren. Denn auch, wenn es sich teilweise anfühlte als müsste ich wie im Englischunterricht Vokabeln lernen, empfinde ich die GfK als eine Sprache, die für jeden erlernbar ist.

Wie sieht das denn nun im Alltag aus?

Erst einmal fühle ich mich befreit. Befreit von der „Angst“ vor neuen Konflikten. Obwohl ich noch in einer Art „Trainingsmodus“ bin, nehme ich Gespräche anders wahr, und bin achtsamer mit mir selbst und anderen. Es ist eine Augenhöhe entstanden, ich nehme mich genauso wahr, wie mein Gegenüber und habe ein Verständnis dafür, dass wir alle Bedürfnisse haben, die bedacht werden wollen. Mein Alltag ist dadurch ruhiger geworden und eine höhere Lebensqualität scheint sich einzustellen. Auch wenn ich zwischenzeitlich in alte Muster verfalle, habe ich das Ziel, weiterhin mit der GfK zu kommunizieren.

Fazit:

Die GfK sehe ich als einen Prozess, der zu einer neuen Ordnung führen kann. Lange Konflikte im Privaten können gelöst werden, neue Konflikte können verhindert werden.

Erst die Theorie kennenzulernen und diese dann praktisch an einem eigenen Beispiel zu erfahren habe ich als wichtigen Schritt empfunden, um empathisch mit mir selbst zu sein. Dadurch habe ich nun ein Gefühl dafür, dass andere Menschen ähnliche Bedürfnisse haben und denke, dass ich nun besser auf sie eingehen kann.

Gewaltfreie Kommunikation nach Dr. Marshall B. Rosenberg

Überall auf der Welt hat die GFK (Gewaltfreie Kommunikation) Menschen inspiriert, und sie tut dies auch heute noch mit wachsender Geschwindigkeit. Zahlreichen Erhebungen zufolge steigert die Gewaltfreie Kommunikation sowohl die Fähigkeit, sich auf einer tiefen emotionalen Ebene mitfühlend mit sich selbst und mit anderen zu verbinden, als auch die Fähigkeit, starke und auch langzeitige Differenzen friedvoll aufzulösen. Außerdem geht aus jenen Berichten hervor, dass die Wirkung des GFK-Trainings über die Zeit sogar erheblich zunimmt und nicht auf dem anfänglichen Niveau bleibt.

Marshall Rosenberg hat die Gewaltfreie Kommunikation ins Leben gerufen und Menschen aus unterschiedlichen Schichten darin unterrichtet. Darunter waren auch Personen, die anschließend selbstständig das GFK-Training während ihrer Arbeit und in ihrer Gemeinde gelehrt haben.

Was verstehen wir in der GFK unter Gewalt?

In der GFK versuchen wir Bewertungen zu vermeiden und Werturteile zu fällen. Der Unterschied liegt darin, dass Bewertungen ein Schwarz-Weiß-Denken fördern, wohingegen Werturteile die eigene Wahrnehmung und die eigene Meinung betonen.

Bewertung: Was ist richtig/ gut – falsch/ schlecht/ böse? Wer hat Recht – Unrecht?

Werturteil: Was ist mir wichtig? Wie finde ich etwas?

Tu das, was ich dir sage! Mach das nicht! Du bist unverschämt! – Hinter all diesen Sätzen steckt der Gedanke bzw. die Haltung „Ich stehe hierarchisch über dir und ich darf bestimmen, was du tust oder wie du bist oder zu sein hast.“. Befehle und Bewertungen sehen wir – genau so wie körperliche Grenzüberschreitungen – ebenfalls als Übergriffe an.

Tag für Tag erleben wir die multiplen Gesichter von Gewalt – daheim, auf der Arbeit und auf den Straßen. Neben der körperlichen und physischen Gewalt, welche wir meist auf Anhieb erkennen und als eindeutig einstufen, legen wir in der GFK großen Wert darauf, auch auf jede Art psychischer und emotionaler Gewalt zu verzichten. Forderungen und Interpretationen oder Urteile über uns selbst oder andere deuten auf verborgene und unerfüllte Bedürfnisse hin, die wir ergründen wollen.

Analysen und Diagnosen, sowie moralische Urteile („Du bist unverschämt!“) legen den Fokus auf das, was bei uns oder bei anderen nicht stimmt. Solch eine Sichtweise sehen wir in der GFK als Kommunikationshürde an, die uns davon abhält, wertschätzend und vertrauensvoll miteinander in Kontakt zu treten. Auch Forderungen („Räum‘ dein Zimmer auf!“) sind uns ein Dorn im Auge, da sie lediglich zwei Alternativen bieten – Rebellion oder Unterwerfung. Unser Gegenüber leistet entweder Widerstand oder gibt nach. Diese Haltung und Ausdrucksweise bezeichnet Rosenberg als die ‚Wolfssprache‘. Mit ihr sind die meisten von uns groß geworden, sodass es uns schwerfällt, die Verantwortung für unsere eigenen Gefühle und Bedürfnisse zu übernehmen. In der sogenannten ‚Giraffensprache‘ hingegen schauen wir darauf, was in uns lebendig (Gefühle und Bedürfnisse) ist, und wie wir unser eigenes oder das Leben anderer Menschen bereichern können. Rosenberg spricht hierbei von der Schönheit der Bedürfnisse, an der wir teilhaben können, wenn wir unsere oder die Bedürfnisse anderer erfüllen. Wir stellen Bitten statt Forderungen und drücken Empathie für den Anderen aus. Wir sind ernsthaft daran interessiert, die Gefühle und Bedürfnisse unseres Gegenübers verstehen zu wollen und hören aufmerksam zu, was der andere zu uns sagt. Auf diese Weise sind wir empathisch und tragen dazu bei, dass innige und gleichzeitig wertvolle Beziehungen entstehen können.

Beispiel:

Person A: „Mein Chef hat mich heute total runter gemacht!“

Person B: „Bist du traurig (Gefühl), weil dir Wertschätzung (Bedürfnis) wichtig ist?“

Über das Leben von Dr. Marshall B. Rosenberg, Ph.D. (* 1934 – † 2015)

Marshall Rosenberg ist international bekannt als Konfliktmediator und als der Beründer der Gewaltfreien Kommunikation. Außerdem ist er der Gründer des Center for Nonviolent Communication (CNVC) – Zentrum für Gewaltfreie Kommunikation – in den USA, in welchem er die Leitung für alle Bildungstätigkeiten übernahm.

Er wuchs in Detroit auf, wo er tagtäglich mit unterschiedlichen Formen von Gewalt konfrontiert war. Seine Erfahrungen mit Gewalt prägten ihn so sehr, dass er sich fragte, wie man gewalttätige Handlungen und Denkweisen vermindern oder gar vollständig vermeiden kann, ohne sich selbst oder anderen damit zu schaden. Aus diesem Motiv heraus entschied er sich, Klinische Psychologie an der University of Wisconsin zu studieren, welche er 1961 mit einem Ph.D. (Doctor of Philosophy) erfolgreich wieder verließ.

Das Training der GFK entwickelte sich aus der Suche Rosenbergs heraus, in möglichst kurzer Zeit  Frieden schaffende Fertigkeiten zu entwickeln und auf der Welt zu verbreiten. Das Zentrum für Gewaltfreie Kommunikation entstand Anfang der frühen 90er Jahre aus der Arbeit mit Bürgerrechtsaktivisten heraus. Zu dieser Zeit vermittelte Rosenberg überdies zwischen rebellierenden Studierenden und College-Administratoren. Zeitgleich arbeitete er daran, lang andauernde Rassentrennungen in staatlichen Schulen friedlich aufzuheben.

Seit der Gründung des CNVC (Center for Nonviolent Communication) war die Resonanz auf das GFK-Training überragend positiv. Es wird als ein machtvolles Instrument gesehen, um friedfertig innerseelische und zwischenmenschliche Differenzen aus dem Weg zu räumen, sei es auf persönlicher, professioneller oder auf politischer Ebene.

Dr. Rosenberg begab sich in vom Krieg zerrüttete Gebiete und in wirtschaftlich benachteiligte Länder, um Trainings für Gewaltfreie Kommunikation anzubieten, sodass die Menschen dort Versöhnung wiederherstellen und Auseinandersetzungen auf pazifistischem Wege erreichen konnten. Er hat in insgesamt 60 Ländern die GFK gelehrt, u. a. in Australien, Deutschland, Neu Seeland, Russland, Südafrika und den Vereinigten Staaten.

Dort arbeitete er mit unterschiedlichen Gruppen zusammen, darunter mit Ärzten, Managern und Regierungsbeamten als auch mit individuellen Familien.

Dr. Rosenberg verstarb am 7. Februar 2015 in seinem Zuhause in Anwesenheit seiner Ehefrau Valentina und all seiner Kinder.

Zum weiteren Nachlesen: http://www.cnvc.org/about/marshall-rosenberg.html

Die 4 Schritte der Gewaltfreien Kommunikation

Schritt 1: wertfreie Beobachtung

  • Was sehe ich/ siehst du?
  • Was höre ich/ hörst du?

Tipp: Was hätte die Linse einer Kamera (ohne Deutungen oder Interpretationen) aufgenommen?

Wir neigen oft dazu, Be-obachtungen mit Be-wertungen zu verwechseln, da wir in der Regel etwas beobachten und gleichzeitig bewerten.

Beispiel: „Du hast den Müll schon wieder nicht ’runter gebracht. Ich dachte, du liebst mich.“

Der Ausdruck „schon wieder“ ist eine Bewertung und daher keine Beobachtung. Der Satz „Ich dachte, du liebst mich.“ stellt eine Erwartung und eine Interpretation dar. Der Sprechende denkt, dass die andere Person den Müll deshalb nicht weggebracht hat, weil sie ihn nicht (mehr) liebt

– was nicht heißt, dass es wirklich so ist. So entstehen u.A. (vermeintlich) unauflösbare Missverständnisse und sich (scheinbar) widerstrebende Interessen. Umso wichtiger ist es daher, bei dem rein Beobachteten zu bleiben, indem ich bspw. sage: „Der volle Müllsack steht neben dem Kühlschrank.“

Wenn Sie ein Gespräch mit einer Bewertung oder Interpretation eröffnen, dann ist die Wahrscheinlichkeit sehr hoch, dass sich die Konversation zunächst darum dreht, was richtig und was falsch ist. Wenn Bewertungen, Reizwörter (‚immer‘, ‚schon wieder‘) und Urteile in unsere Gespräche einfließen, führt das dazu, dass der andere sich verteidigen möchte, weil er einen Angriff hört. Alle Worte, die ausdrücken, dass etwas mit dem anderen nicht in Ordnung ist, sind tragisch, weil sie nicht dazu führen, dass andere Menschen mit Freude zu unserem Wohlergehen beitragen. Im Gegenteil, sie provozieren geradezu eine Abwehrhaltung und Aggression.

„Die höchste Form menschlicher Intelligenz ist, zu beobachten, ohne zu bewerten.“

 Jiddu Krishnamurti (indischer Philosoph)

Schritt 2: Gefühls-Ausdruck

  • Was fühle ich/ fühlst du?
  • An welcher Stelle im Körper nehme ich/ nimmst du eine Veränderung wahr?
  • Wie kann ich/ kannst du diese Veränderung beschreiben? (Ziehen, Druck, Kribbeln…)

Beispiele für Gefühle bei erfüllten Bedürfnissen: erfreut, inspiriert, neugierig, aktiv, selbstbewusst,                                                                                                                                liebevoll, kraftvoll, selig, usw.

Beispiele für Gefühle bei unerfüllten Bedürfnissen: launisch, matt, langweilig, erschöpft, benebelt,                                                                                                                                    bewegt, unmotiviert, erschüttert, usw.

Wenn ich sage: „Mir geht es gut.“, dann drücke ich mich sehr vage aus und der andere kann nur erahnen, was ich damit genau meine.

Unsere Gefühle lassen uns uns selbst spüren und uns lebendig sein. Sie weisen uns den Weg zu unseren erfüllten oder unerfüllten Bedürfnissen. Sie geben uns Hinweise darauf, wer wir wirklich sind. Bedürfnisse und Gefühle schaffen folglich eine Verbindung zu uns selbst und zu anderen (verbindende Sprache). Wir leben in einer Welt, in der wir uns angewöhnt haben, unseren Gefühlen wenig Raum und Aufmerksamkeit zu schenken. Stattdessen neigen wir vermehrt dazu, zu denken und zu bewerten, was uns von unseren eigenen und den Gefühlen anderer distanziert (trennende Sprache).

Ein Beispiel: Kennen Sie das auch? Wir sagen „Ich habe das Gefühl, dass…“ (Pseudogefühl) und äußern eigentlich einen Gedanken, obwohl wir davon überzeugt sind, von unseren tatsächlichen Gefühlen zu sprechen.

Pseudogefühle (griech. pseudo=falsch) sind keine richtigen Gefühle, sondern eine Mischung aus Gefühlen und Gedanken. Sie erschweren uns den Weg zu unseren Bedürfnissen, da unser Gegenüber oftmals einen Vorwurf hinter unseren Worten vermutet.

Pseudogefühle lassen sich in zwei Kategorien einteilen:

1) in Opfergefühle

(enthalten beschuldigende Gedanken und versteckte Bedürfnisse)

Ich fühle mich…

herabgesetzt, erniedrigt, nicht wertgeschätzt, hintergangen, verlassen, beobachtet, ausgenutzt, ausgetrickst, verarscht, usw.

Statt „ich fühle mich ausgeschlossen“ können wir z.B. sagen: „Ich fühle mich unsicher und allein und hätte gern mehr Kontakt mit der Gruppe.“.

2) in Selbstbeurteilungen

(enthalten Gedanken über mich selbst)

Ich fühle mich…

inkompetent, wertlos, überlegen, verschlossen, überflüssig, nützlich, überarbeitet, wie vom Auto überfahren (bildhafter Vergleich), usw.

Statt „Ich fühle mich mächtig“ sagen wir bspw. lieber „Ich fühle mich stark und sicher, dass ich die Herausforderung meistern werde.“.

Schritt 3: Bedürfnis-Äußerung

  • Was ist mir/ dir wichtig?
  • Was brauche ich/ brauchst du?
  • Worauf lege ich/ legst du Wert?
  • Was liegt mir/ dir am Herzen?
  • Was möchte ich/ möchtest du?)

Beispiele für Bedürfnisse, die Autonomie ausdrücken: Spontaneität, Würde, Unabhängigkeit,                                                                                                                                                      Freiheit, Selbstausdruck, Raum, usw.

Beispiele für Bedürfnisse, die Verbindung ausdrücken: Geborgenheit, Kontakt, gehört werden,                                                                                                                                                     Respekt, Liebe, Gemeinschaft, Nähe, usw.

Beispiele für Bedürfnisse, die Frieden ausdrücken: Harmonie, Ruhe, Gelassenheit, Akzeptanz,                                                                                                                                          Toleranz, Hoffnung, Balance, usw.

Beispiele für Bedürfnisse, die Sinn ausdrücken: Wirksamkeit, Kreativität entdecken, Orientierung,                                                                                                                                Klarheit, Herausforderung, Fortschritt, das Leben                                                                                                                                   feiern, usw.

Beispiele für Bedürfnisse, die Spaß und Spiel ausdrücken: Humor, Entspannung, Abenteuer,                                                                                                                                                                  Begeisterung, usw.

Beispiele für Bedürfnisse, die körperliches Wohlbefinden ausdrücken: Sauberkeit, Nahrung,                                                                                                                                                                                                     Sicherheit, Schlaf,                                                                                                                                                                                                                       Sexualität, Bewegung,                                                                                                                                                                                                        Unterkunft, usw.

Kriterien, die ein Bedürfnis als solches ausmachen:

– es ist abstrakt und allgemein

– es ist positiv formuliert

– es enthält keinen Bezug zu bestimmten Personen, einem Zeitpunkt oder einem bestimmten Ort

Rosenberg glaubt, dass Bedürfnisse universell sind, also allen Menschen auf der Welt gemein und unabhängig von Zeiten und Epochen. Die Bedürfnisse einzelner Menschen stehen nie im Widerspruch zueinander, sondern nur die Strategien, mit denen diese Bedürfnisse erfüllt werden sollen. Wir alle haben an jedem Ort und zu jeder Zeit Bedürfnisse und wir nehmen sie nur deshalb wahr, weil sie Gefühle in uns hervorrufen, die uns signalisieren, wann und ob ein Bedürfnis erfüllt ist. Angenehme Gefühle zeigen uns, dass ein oder mehrere Bedürfnis(se) erfüllt ist/sind, unangenehme Gefühle zeigen uns, dass ein oder mehrere Bedürfnis(se) unerfüllt ist/sind.

Wünsche unterscheiden sich von Bedürfnissen dahingehend, dass sie Ansätze zu Strategien enthalten. Um die Ursache eines Konfliktes herauszufinden, ist es daher vorteilhaft, Bedürfnisse (z.B. Hunger) und Strategien (z.B. „Schmierst du mir ein Brot?“) klar voneinander zu trennen.

Schritt 4: Bitte

  • an mich selbst oder den anderen
  • Was kann ich/ kannst du tun, um meine/ deine Bedürfnisse zu stillen?

Es gibt 2 Arten von Bitten:

1) Handlungsbitte: Wir können uns selbst oder jemand anderes darum bitten, etwas zu tun.

2) Beziehungsbitte: Wir können jemand anderes darum bitten, uns mitzuteilen, wie er sich fühlt                                                        oder was er braucht.

„Magst du mir sagen, wie es dir damit geht, wenn du das so hörst?“

Oder                                Wir können jemanden bitten, uns zu sagen, was er gerade gehört hat.

„Magst du mir mitteilen, was du gerade gehört hast?“

Wir können auch fragen: „Möchtest du wissen, wie ich mich gerade fühle?“

„Möchtest du, dass ich dir sage, was ich gerade gehört habe?“

Bitten sind besonders dann erfolgreich, wenn …

– sie positiv formuliert sind

– sie realistische Handlungen ganz konkret benennen

– sie ein Element enthalten, das jetzt erfüllbar ist

– sie dem anderen seine Entscheidungsfreiheit lassen (also auch ein ‚Nein‘ akzeptieren können)

– der andere darauf vertrauen kann, dass seine Bedürfnisse auch zählen („Okay?“, „Geht das für dich?“, „Einverstanden?“)

„Die angesprochene Person muss darauf vertrauen können, dass es sich um eine Bitte und nicht um eine Forderung handelt. Wenn Menschen nämlich erst einmal eine Forderung gehört haben, dann sind ihre Wahlmöglichkeiten nur noch Unterwerfung oder Rebellion.“

                                                                                                            Marshall Rosenberg

Wie wird die Theorie in die Praxis umgesetzt?

Mögliche Anwendungsformen der GFK sind zum Beispiel:

„Wenn ich sehe (Beobachtung), wie du wortlos an mir vorbeigehst, dann fühle ich mich traurig (Gefühl), weil ich gesehen werden (Bedürfnis) möchte. Würdest du mich bitte anschauen und „Hallo“ sagen, wenn wir uns zufällig über den Weg laufen (Handlungsbitte)?“

„Wenn ich höre (Beobachtung), wie du sagst: „War klar, dass du wieder so etwas sagst! Solch ein inkompetenter Kommentar kann naürlich nur von dir kommen.“, dann bin ich unsicher (Gefühl), weil mir Offenheit und ein respektvolles Miteinander (Bedürfnisse) wichtig sind. Magst du mir sagen, wie es dir damit geht (Beziehungsbitte), wenn du das so von mir hörst?

„Als ich mich dabei ertappt (Beobachtung) habe, dass ich mich selbst in meinen Gedanken einen „elenden Feigling“ nannte, da war ich frustriert (Gefühl), weil ich gerne mehr Selbstachtung hätte und ich Selbstvertrauen (Bedürfnisse) brauche. Was kann ich jetzt mit dieser Erkenntnis anfangen und was kann ich dafür tun, um mit meinem Frust zurechtzukommen (Bitte an mich selbst)?

Wofür bin ich dankbar?

In der Gewaltfreien Kommunikation liegt sehr viel Kraft und wir können diese nutzen, um Energie zu schöpfen, als auch um anderen Menschen gegenüber unsere Wertschätzung auszudrücken. Dies kann so aussehen, indem wir „Danke“ sagen für etwas, was andere für uns getan haben, und wodurch sie unser Leben bereichert und schöner gemacht haben.

Für Marshall Rosenberg war es immer wichtig, auf der einen Seite das Leben zu feiern, aber andererseits auch gerade den Dingen Aufmerksamkeit zu schenken, die wir bedauern, denn sowohl das Schöne als auch das Unschöne. Beides ist Teil unseres Lebens – verleugnen wir eins von beidem, verleugnen wir ein Stück weit auch uns selbst. Wir feiern ein schönes Gefühl, wenn ein Bedürfnis erfüllt (worden) ist und bedauern Gefühle, wenn wir seelischen Schmerz empfinden und unsere Sehnsüchte oder unsere Triebe (scheinbar) nicht befriedigen können.

„Das Ziel ist es, all unser Lachen zu lachen und all unsere Tränen zu weinen. Was auch immer sich in uns offenbart, es ist das Leben, das sich darin zeigt, es ist immer ein Geschenk, sich damit zu verbinden.“

                                                                                                                             Marshall Rosenberg